Wir alle können in unserem Arbeitsbereich oder Umfeld Menschen mit unzureichenden Lese- und Schreibkompetenzen begegnen. Wurde das Problem erkannt, stellt sich für Viele die Frage, ob und wie eine Ansprache erfolgen sollte.
Wegsehen hilft niemandem!
Über die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben hinwegzusehen, hilft den Betroffenen nicht. Oft trauen sich die Menschen nicht, das Problem zu thematisieren, sind aber für eine Ansprache dankbar, weil sie das jahrelange Versteckspiel aufbricht. Außerdem bietet das Ansprechen die Möglichkeit, Hilfsangebote aufzuzeigen bzw. Ansprechpersonen zu nennen und Mut zu machen. Damit können Sie den Betroffenen langfristig nicht nur helfen, die Lese-und Schreibfähigkeiten zu verbessern, sondern auch ihr Selbstbewußtsein zu stärken, um ihr Leben wieder stärker selbst in die Hand zu nehmen.
Ansprache der betroffenen Menschen
Der richtige Zeitpunkt
- sofort reagieren, wenn Problem offen angesprochen wird
- spontan, wenn Schreibanlass vorliegt und vertrauliche Ansprache möglich ist
- vorbereitet, wenn Beratungssituation dies zuläßt
Die richtige Atmosphäre
- Anonymität sicherstellen: Gespräch unter vier Augen, keine Störung durch Dritte, sichere Situation, die Vertrautheit und Anonymität gewährleistet
- Zeit nehmen: eine Ansprache bedeutet, dass das jahrelange Schweigen und Verstecken unterbrochen wird. Für das Erzählen der Lebens- und Leidensgeschichte sollte Zeit sein und Wertschätzung entgegengebracht werden.
Zur Gesprächsführung
- keine Vorwürfe/keine Schuldzuweisung
- agressive Rückmeldung nicht persönlich nehmen
- Aufmerksamkeit/Wertschätzung signalisieren
- Anonymität zusichern
- auf Fähigkeiten und Kompetenzen konzentrieren
- konkrete Hilfsmöglichkeiten und Ansprechpartner nennen
in Anlehnung an: Handout zum Thema 'Funktionaler Analphabetismus' für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Personal- vermittlung, APAG Projekt 02/2013 mit freundlicher Genehmigung von Elfriede Haller, VHS Ludwigshafen
Beispiel für eine Ansprache
Beispiel 1: "Sie möchten das Formular mit nach Hause nehmen. Kann das damit zu tun haben, dass es ihnen jetzt schwer fällt, hier auszufüllen? Fällt es Ihnen schwer, hier zu lesen und zu schreiben?"
Beispiel 2: "Wenn ich das, was Sie mir eben mitgeteilt haben, überdenke, dann höre ich daraus, dass Sie Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben? Sehe ich das so richtig?"
Beispiel 3: "Sie gehen mir gegenüber jetzt sehr offen mit diesem Thema um. Ist dies das erste Mal, dass Sie davon sprechen?"
Beispiel 4: Eine Erzieherin in der Kita könnte sagen: "Ich möchte mit Ihnen etwas besprechen. Lassen Sie uns dafür hier im Zimmer Platz nehmen... Ich habe gemerkt, dass Sie auf die Einladungen zu den Elternabenden nicht reagieren. Kann es daran liegen, dass Sie Schwierigkeiten haben, die Einladungen zu lesen, zu verstehen oder darauf zu antworten? Mir ist es wichtig, dass wir gut zusammenarbeiten. Vielleicht kann ich Ihnen helfen."
Beispiele entnommen aus: Flyer zum "Erkennen von Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten" des Thüringer Volkshochschulverbandes